
Fünf Uhr morgens, allgemeines Weckerklingeln. Kurze Nacht. Müde Gesichter. Da war das üppige Frühstück genau das Richtige zum Wach werden. Ein letztes Mal die Jagdhornsignale getrötet und aus vollem Hals mitgesungen. Koffer packen und auschecken. Jetzt wurde es ernst, wirklich ernst. Wir mussten in freier Natur, mitten im Wald, unser Können und Wissen unter Beweis stellen. Und immer dran denken, wenn sich bei der Waffenhandhabung ein Fehler einschleicht, ist die Prüfung gelaufen. Gut so. Wir haben es nicht mit Spielzeug, sondern Waffen zu tun. Wir werden Verantwortung tragen.
Neben den einheitlichen T-Shirts, zierte jede Hand ein großes „L“. Warum? Laufkontrolle. Die zu vergessen wäre fatal. Im Einheitslook ging also nun von Station zu Station.
Station eins: Hallo Herr Förster! Genau. Naturschutz, Hege, Land- und Waldbau. Nicht meine Paradedisziplin. Und auch das noch. Roter Holunder. Für mich sah das ganz klar nach Vogelbeere oder auch Sorbus aucuparia aus. Der Förster war da anderer Meinung. Ich auch, irgendwann. Super Start. Positiv sehen, kann ja nur besser werden.
Stimmt. Station Nummer zwei: Waffenkunde. Dank „L“ und intensiven Training war das ein Kinderspiel. Ebenso Jagdrecht. Machbar.
Hätte so schön sein können, dieser Flow. Hätte. Wenn da nicht Station Nummer vier und fünf gewesen wären. Nach dem Jagdrecht folgte die Behandlung des erlegten Wildes, Wildkrankheiten, Jagdhundewesen und jagdliches Brauchtum. Für mich also: Leber, Milz und Niere erkennen. Puh. Lange überlegen. Aber geschafft. Auch die Teckel und Pflichten des Jagdkönigs fanden sich noch in der hintersten Ecke meiner grauen Zellen.
Nun aber. Hoch motiviert. Danach war es schließlich vorbei. Ab zur Wildtierkunde. Losung erkennen. Lief wie geschmiert. Weiter. Pirschzeichen. Tja, jetzt wurde es spannend. Malbäume, Fegestellen, Verbiss- und Schälschäden, ein heilloses Durcheinander in meinen Gedanken. Welches Stück macht was zu welchem Zeitpunkt? Ähm...Ähm gibt’s nicht in der Prüfung. Statt „Ähm“ tief durchatmen. Gedanken sortieren, Ordnung ins Chaos bringen. Das Wissen war ja da. Und siehe da. Die Struktur kam wieder. Ganz langsam. Besser spät als nie.
Hat es gereicht? Den Prüfern war nichts zu entlocken. Da blieb nur eins, abwarten. Peu à peu füllte sich der Warteraum mit den fertigen Prüflingen. Handys waren tabu, also Kommunikation – offline. Klar, jedes Detail wurde bis ins Kleinste analysiert. Jeder sagt was anderes. Was ist nun richtig? Gibt es überhaupt richtig oder falsch?
Die Kuchentheke wurde unser bester Freund. Hoher Blutzuckerspiegel, gute Laune. Gute Laune brauchten wir auch, besonders jetzt. Denn es wurde ernst. Die Ergebnisse ausgewertet. Schwarz auf weiß. Ende.
Zitternde Knie, angespannte Gesichter, vergnügte Prüfer. Die Worte trafen uns mitten ins Herz: Ihr alle habt es geschafft. Und jetzt? Kräftiges Händeschütteln, Gratulationen von allen Seiten, Umarmungen von den Liebsten, Fotos für´s Erinnerungsalbum. Jetzt geht das Lernen erst so richtig los. Waidmannsheil!