
Als ich meinen ersten Bock geschossen habe, habe ich an alles gedacht, nur nicht an die Trophäe. Ich habe den Bock geborgen, aufgebrochen und zerwirkt. Erst als ich sein Haupt in den Händen hielt, wurde mir klar, hier kommt ja doch noch ein bisschen Arbeit auf mich zu.
Aber wie funktioniert das überhaupt, das Präparieren einer Rehtrophäe? Keine Ahnung. Bisher habe ich mir nie wirklich Gedanken darüber gemacht, welche Arbeit hinter den Trophäen an der Wand steckt.
Also ran an die Arbeit. Nachdem das abgeschrärfte Haupt enthäutet wurde, habe ich die Lichter entfernt. Eine Freude für die Hunde, die schon erwartungsvoll auf ihre kleine Belohnung gewartet haben. Und auch das Gehirn war im Nu verputzt. Hunde zufrieden. Und ich auch. Denn so schwer war das ja gar nicht. Hatte fast schon meditativen Charakter.
Nun aber weiter: Sobald der Schädel grob entfleischt war, haben ich ihn abgekocht. In einem großen Topf reichlich Wasser aufkochen und den Schädel darin ca. eine Stunde kochen lassen. Als endlich alle Reste entfernt waren, bekam der Schädel noch eine Beauty-Behandlung mit Wasserstoffperoxid.
Et voilà. Nur noch auf´s Brettchen und fertig war meine erste eigene Trophäe.
Aber das sind ja doch nur die Fakten. Worum es mir eigentlich geht: die Emotionen. Denn früher habe ich mich immer gefragt, warum die Jäger ihre Wände mit all diesen Trophäen zupflastern? Stattdessen hätte man da doch auch einfach ein schönes buntes Bild hinhängen können. Was ich nicht bedacht habe - den meisten geht es gar nicht primär um die Optik, sondern vielmehr um das Gefühl das beim Betrachten der Trophäen aufkommt. Du fühlst dich plötzlich wieder zurück katapultiert, zurück auf deine Kanzel, zurück in den Wald, zurück zum Punkt Null. Du bekommst Gänsehaut wenn du deine Trophäe anschaust, die für andere bloß ein blank polierter Knochen mit Geweih ist.
All das wurde mir richtig bewusst, als ich meine erste Bocktrophäe in den Händen hielt. Daher sollte sie auch einen Ehrenplatz bei mir bekommen.
Hin und her überlegt, klatsch auf die nackte Wand? Nein. Denn Ehre wem Ehre gebührt. Im Urlaub am Meer fand ich wie aus dem Nichts zwei Treibhölzer, wunderschön und von der Natur geprägt. Und so formte sich langsam ein konkreter Gedanke. Meine Trophäe sollte einen Ehrenplatz im Wohnzimmer erhalten, gebettet auf den beiden Treibhölzern.
Also Löcher in die Wand und endlich hing meine Eigenkreation. Und jedes Mal, wenn ich auf dieses kleine Kunstwerk schaue, denke ich an einen lauen Sommerabend auf der Kanzel, an meinen ersten selbst erlegten Bock und bekomme immer noch Gänsehaut.