Jagd auf Sylt?

Jagd auf Sylt? Gibt´s das überhaupt?

Was lag näher, als Google zu fragen? Genau. Als Suchbegriff musste, da ja völlig unwissend, erst mal „Hegering Sylt“ herhalten. Ich habe nicht wirklich damit gerechnet, dass es auf Sylt einen Hegering gibt. Aber: Treffer!

 

Eine übersichtliche und moderne Homepage: das macht neugierig. Mein Interesse war geweckt. Verantwortlich für dieses Prachtstück: Stellvertretende Hegeringsleiterin und Obfrau für Jugend- & Öffentlichkeitsarbeit Wiebke Bleicken.

 

Der Tag X, da war er. Damit ich nicht zu der falschen Vogelkoje fahre, schickte mir Wiebke Bleicken vor dem Termin noch mal den genauen Standort. Denn auf Sylt gibt es nicht nur eine Vogelkoje, sondern mehrere. Ich fütterte also mein Navi mit den Daten und stand keine viertel Stunde später in einem Kleinod der Natur. 

 

Nach herzlicher Begrüßung durch Wiebke Bleicken, zeigte sie mir das Schulungs- und Informationshaus des Hegerings. Modern, gut ausgestattet mit prachtvollen Tierexponaten und das alles mit Blick auf einen großen, mit Graugänsen bevölkerten, Süßwasserteich.

 

Erster Halt unter freiem Himmel: die Fangpfeife der Vogelkoje. Was hat es genau damit auf sich? Eine Vogelkoje hat in der Regel vier davon. In jede Himmelsrichtung eine. Ebenso beinhaltet jede Koje einen Süßwasserteich. Auf diesem machten die aus ihren Brutgebieten im Norden kommenden Enten gerne eine kleine Rastpause. Wenn diese Enten dann wieder starten wollten, je nach Windrichtung in die verschiedenen Himmelsrichtungen, wurden sie von dem Kojenwärter in eine der vier Fangarme getrieben und gefangen. So einfach, wie effizient.

 

Aber warum überhaupt? Nun ja, versuchen wir mal, uns gedanklich in das Jahr 1874 zurück zu versetzen. Denn da wurde die Vogelkoje ins Leben gerufen. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Nahrungs- und Einnahmequelle der Insulaner primär aus dem Fischfang. Ziemlich einseitig also. Da die Jungs damals aber dank der Fischerei gut rumkamen, insbesondere zu unseren Nachbarn, den Niederländern, sahen sie dort eine Alternative zum Fischfang. Den Entenfang.  

 

Und so wurde der Speiseplan fortan nicht nur umfangreicher, mit circa 8000 gefangenen Enten pro Saison, konnte auch ein üppiger und ertragreicher Handel betrieben werden. Leider musste um 1900 diese Art des Handels aufgegeben werden – mit dem Bau des Hindenburgdamms und dem damit verbundenen Touristenaufkommen, wurde es den Enten zu stressig auf der Insel.

 

Soviel also zum Thema Vogelkoje. Aber das ist ja noch nicht alles. Was der Hegering Sylt noch auf die Beine stellt, erzählte Wiebke Bleicken beim Rundgang durch den eigens geschaffenen „Lernort Natur“. Wie bringt man Kindern oder wissbegierigen Besuchern die Jagd und die damit verbundene Nachhaltigkeit möglichst anschaulich nahe? Wenn man Wiebke Bleicken zuhört, denkt man, es könnte gar nicht einfacher gehen.

 

So erzählt sie, während wir neben uns das Totholz betrachten, dass dieses Holz zwar nicht mehr lebendig sei, aber dennoch ein wichtiger Bestandteil der Natur ist. Denn gerade hier tummeln sich eine Vielzahl von Organismen, es entstehen Lebensgemeinschaften und jeder Totholztyp kann mit seiner eigenen Fauna und Flora in Verbindung gebracht werden. So gesehen ist dieses Holz mehr als lebendig. Und so gut, wie Wiebke Bleicken diesen Fakten beschreibt, kann ich mir plötzlich sehr gut vorstellen, dass auch kleine Kinder, naturfremde oder gänzlich unwissende Besucher verstehen, welchen Mehrwert uns die Natur zu bieten hat.

 

Nun wieder am Süßwasserteich angekommen, den Blick auf die Graugänse gerichtet, gibt es die nächste spannende Geschichte: Schön anzusehen die Tiere, aber oft eine Plage für die Bauern auf der Insel. Denn während die Gänse die Felder vollkoten, die frischen Gräser verzehren und die Wiesen mit ihren Latschen platttreten sinkt der Ertrag für die Bauern. Nur was dagegen tun? Bejagen? Keine Chance. Da zu dieser Zeit die Brut- und Setzzeit gilt. Aber Eier sammeln, das geht. Mit Genehmigung der „Unteren Jagdbehörde“ können die Grauganseier gesammelt werden. Und dann? Wegschmeißen? No way! Die Eier werden zu erstklassigem Biorührei verarbeitet. Doch damit nicht genug! Die ausgepusteten Gänseeier werden dann mit den Kindern in der Eidum Vogelkoje zu Kunstwerken verwandelt. Immer wieder erstaunlich, welch wunderschöne Verzierungen sich am Ende auf diesen Eiern wiederfinden.

 

Und die heutige Jagd auf der Insel? Assoziieren viele Menschen die Insel Sylt mit Wohlstand und Reichtum, finden diese Punkte bei der Jagd jedoch keine Beachtung. Die Waidmänner und –frauen bleiben unter sich. Hier geht es darum, die seit Jahrhunderten gewachsene Jagdkultur zu erhalten und als Insulaner auszuüben. So sucht man vergeblich nach Verkaufsjagden. Stattdessen veranstaltet jedes Dorf auf der Insel eine Treibjagd im Jahr. Eingeladen werden Insulaner oder enge Freunde. Die Erhaltung der selbstbestimmten Jagdausübung kann kaum besser gewährleistet werden, als durch solche Maßnahmen. Es wird Wert auf die „reine“ Jagdausübung gelegt, insbesondere bei der Treibjagd auf Feldhasen. Diese werden einmal im Jahr auf den dortigen Treibjagden bejagd und nicht auf Einzeljagden.

 

Beeindruckend, was Wiebke Bleicken sowie die ehrenamtlichen Helfer Wolfgang Valentin, Birgit Hussel und Claus Timmel unter der „Schirmherrschaft“ des neuen Vorsitzenden der Eidum Vogelkoje, Johannes Sanders hier alles auf die Beine stellen. Mit welcher Selbstverständlichkeit und Herzblut sie ihre freie Zeit investieren. Und wie sie mit ihrer Arbeit dem Brauchtum der gesamten Jägerschaft nicht nur gerecht werden, sondern eine Öffentlichkeitsarbeit leisten, wie sie im Buche steht.  

 

Macht euch gerne unter folgendem Link selbst ein Bild: https://www.hegering-sylt.de. Es lohnt sich!